Agilität ist aktuell ein vieldiskutierter Begriff, gerade wenn der berufliche Kontext zunehmend als VUCA erlebt wird. Doch was braucht es, um agil handeln zu können? Wie kann ich bei dem Trubel um mich herum innerlich zentriert sein? Und wie kann ich langfristig in Balance bleiben – und zyklisch intelligent handeln? Mit diesen Fragen haben wir uns in den letzten Wochen intensiv beschäftigt. Einige Einblick dazu stellen wir in dieser Ausgabe unserer ‚Rauchzeichen‘ vor. Wenn Sie mehr darüber erfahren wollen, laden wir Sie zu unserer Lesung am 17. Dezember in Köln ein. (Details siehe unten) Herzliche Grüße Eike Reinhardt & Daniel Goetz

Zyklische Intelligenz und agiles Handeln aus dem deiktischen Zentrum

Ein Seiltänzer ist in ständiger Resonanz mit den Schwingungen des Seils und den Umwelteinflüssen (z.B. Wind). Dazu muss er höchst flexibel sein und das Mikrofeedback der Umwelt wahrnehmen – und darauf mit kleinen Anpassungsbewegungen reagieren. Ein starrer Seiltänzer stürzt. Ein starres Vorgehen ‚gemäß Plan‘ hilft ebenso wenig. Vielmehr muss der Seiltänzer im Hier & Jetzt sein – ganz präsent. Ergo: Wer starr ist, kann nicht agil sein. Agilität braucht achtsame Flexibilität.

Achtsame Präsenz erfolgt aus dem deiktischen Zentrum

Unser Mentor Tom Andreas nutzt zur Beschreibung dieser Achtsamkeit ein anschauliches Modell aus den Sprachwissenschaften: die Deixis (altgriechisch: „zeigen“). Der Begriff Deixis bezeichnet die räumlichen, zeitlichen oder personalen Verweise eines Sprechers, mit dem deiktischen Zentrum: „Ich, hier, jetzt.“ Agiles-Handeln-aus-dem-deiktischen-Zentrum Probleme treten für eine Person in der Regel dann auf, wenn es zu einer andauernden Verschiebung oder Verwechslung auf einer dieser deiktischen Achsen kommt. Die Gedanken „kleben“ dann gewissermaßen an den unpassenden Zeiten, Orten oder Personen und verhindern, dass wir präsent „in unserer Mitte“ sind.

  • Zeitliche Verschiebung: Diese liegt z.B. dann vor, wenn uns Ängste oder Sorgen aus der Vergangenheit oder bezüglich der Zukunft plagen. So kann der Gedanke an den bissigen Hund (alternativ: den „bissigen“ Vorgesetzten oder Kunden), mit dem man in der Vergangenheit schlechte Erfahrungen gemacht hat, wie eine traumatische Erfahrung einen mentalen Tunnelblick auslösen. Anderes Beispiel: Bereits der Gedanke an die Präsentation vor dem Vorstand in der kommenden Woche führt zum Schweißausbruch.
  • Örtliche Verschiebung: Gedanken an Orte (reale oder virtuelle) bereiten uns Unbehagen. Das kann der verhasste Konferenzraum sein, an dem man die (ggf. nicht immer positiven) Quartalszahlen zu rechtfertigen hat. Oder vielleicht ist es auch das eigene Bankkonto, an das man mit Magengrummeln denkt.
  • Personale Verschiebung: Wer sich den Kopf darüber zerbricht, was „der Andere wohl denken wird“ oder auch wie gut oder schlecht es einer anderen Person vermeintlich geht, ist im wahrsten Sinne des Wortes nicht mehr ganz bei sich selbst. Wer anderen gefallen will oder sich deren Sorgen zu eigen macht, verliert leicht die Eigenreferenz und fühlt sich unfrei.

Selbstcoaching-Übung „Ich bin. Jetzt. Hier.“

Eine effektive Möglichkeit, sich selbst im Hier und Jetzt bewusst zu sein, ist die auch in unserem Buch ausführlich dargestellte Übung „Ich bin. Jetzt. Hier.“ Die Durchführung ist denkbar einfach: Nehmen Sie bewusst Ihren Atem wahr und sagen Sie sich – gerne auch laut gesprochen – die Begriffe „Ich bin. – Jetzt. – Hier.“ Nehmen Sie die Resonanz wahr, die der jeweilige Begriff bei Ihnen auslöst: Körperempfinden, innere Bilder, Assoziationen etc. Variieren Sie die Reihenfolge der Begriffe und nehmen Sie die Unterschiede wahr. Nehmen Sie sich vor, diesen innerlichen Präsenz-Check mehrmals am Tag zu machen und prüfen Sie, auf welchen Achsen bei Ihnen häufiger eine Verschiebung zu bemerken ist.

Zyklische Intelligenz – langfristige Achtsamkeit

Wie gelingt es, langfristig in Balance zu bleiben? Der Begriff der Intelligenz wird häufig mit den analytisch-kognitiven Fähigkeiten einer Person gleichgesetzt. Daniel Goleman hat ergänzend dazu den Begriff der Emotionalen Intelligenz geprägt, der die sozial-emotionalen Kompetenzen umfasst. Wir sprechen von Zyklischer Intelligenz, um eine Kompetenzen zu beschreiben, die alle vier Lebensbereiche beinhaltet.

Wir definieren Zyklische Intelligenz als die Kompetenz, sich der Auswirkungen des eigenen Handelns und Nicht-Handelns über alle Lebensbereiche und über alle Zeiten hinweg bewusst zu sein.

Was verbirgt sich hinter dieser etwas sperrigen Definition? Zum einen bezieht es die vier Lebensbereiche ein, wie sie sowohl im Medizinrad vieler indigener Kulturen als auch im Modell der vier Säulen des Lebens des Deutsch-Iraners Nossrat Peseschkian (Begründer der Positiven Psychotherapie) formuliert sind:

  • Der kognitive Bereich (Leistung): Beruf, Finanzen, Erfolg, Karriere, Weiterbildung, Wohlstand, Vermögen
  • Der soziale Bereich (Kontakt): Familie, Partnerschaft, Kinder, Freunde, Verwandte, soziales und politisches Engagement
  • Der seelische Bereich (Sinn und Kultur): Vision, Lebenssinn, Werte, Persönlichkeit, kulturelles Interesse, Philosophie, Religion, Glaube
  • Der körperliche Bereich: Ernährung, Erholung, Fitness, ärztliche Vorsorgemaßnahmen, Schlaf, Sexualität

Bereiche des Lebens Ein weiterer Aspekt der Definition von Zyklischer Intelligenz ist die zeitliche Achse. Dabei soll die Formulierung „über alle Zeiten“ darauf hinweisen, dass die Zeit keineswegs immer nur als linear zu denken ist. Vielmehr betont es im Einklang mit der indigenen Vorstellung den rhythmischen Charakter der Zeit: Zyklen von Tag und Nacht; des Monate; der Jahreszeiten. Der wiederkehrende Charakter von Zyklen erlaubt es, diese als Phasen eines größeren Rhythmus‘ von Abläufen zu denken. Unterschiedliche Zyklen können unterschiedliche Schwerpunkte aufweisen. Zum Beispiel kann man in einem Zyklus bewusst den Schwerpunkt auf die Karriere legen (=kognitiver Bereich) – und dabei eine Dysbalance bezogen auf die anderen Bereiche in Kauf nehmen. Diesen ‚Preis‘ zahlt man bewusst – wohl wissend, dass man dafür in anderen Zyklen die übrigen Bereiche bevorzugen muss, um über „die Zeiten hinweg“ ein balanciertes Leben zu führen. Spirale des Lebens mit zyklischem ZeitverständnisDie Metapher der Spirale spiegelt dieses Verständnis wider. Eine zyklisch intelligente Frage kann dabei folgende sein:

  • Was möchte ich rückblickend über die Zeiten hinweg erlebt haben?
  • Zu wem möchte ich mich dann entwickelt haben?

Im besten Falle erzeugt diese innere Haltung von einer langfristigen und zyklischen Perspektive auch eine Sogwirkung für das kurzfristig agile und achtsame Handeln. Last but not least: Die Aspekte des Nicht-Handels können ebenso relevant sein wie jene des Handelns. Entscheidungen über Handlungen treffen wir oftmals noch bewusst. Entscheidungen zum Nicht-Handeln bleiben in vielen Fällen jedoch unbewusst – sind dabei jedoch langfristig („über die Zeiten“) ebenso schwerwiegend. Dazu ein Beispiel: Wer sich einmal nicht die Zähne putzt, bekommt nicht unmittelbar Karies. Wer jedoch dauerhaft die Zahnpflege vernachlässigt, leidet irgendwann an den Folgen. Dazu noch ein Beispiel: Wer für eine kurze Zeit seine privaten sozialen Kontakte vernachlässigt, wird nicht unmittelbar zum schlechten Freund. Wer jedoch über lange Jahre keine Einladung annimmt oder ausspricht, braucht sich nicht wundern, wenn die Gästeliste für den eigenen nächsten runden Geburtstag auf einen Bierdeckel passt. Zyklisch intelligent gefragt:

  • Wo entscheide ich mich durch Nicht-Handeln?
  • Wie kann ich diese Art von Entscheidungen zukünftig bewusster treffen?

Weitere Aspekte des zyklischen Denkens und zu den vier ‚Pfaden‘ aus dem kognitiven, sozialen, körperlichen und seelischen Bereich finden sich in unserem Buch „Selbstführung: Auf dem Pfad des Business-Häuptlings.“

VUCA-Wissen Kompakt-Dossier

Verschaffen Sie sich einen Überblick über das Thema VUCA – und wie Sie die damit verbundenen Herausforderungen meistern können. Folgen Sie einfach den vorgeschlagenen Artikeln am Ende jeder Seite. Im folgenden Artikel erfahren Sie mehr über Achtsamkeit und zyklische Intelligenz. Vorheriger Artikel Übersicht [line]

Rundblick: Was agateno sonst noch macht

Ausblick

Eine interaktive Lesung mit Tiefgang: Spuren hinterlassen

Zyklische Intelligenz für Unternehmer und Entscheider – das steht am 17. Dezember auf der Agenda unserer Lesung. In Kooperation mit dem Bundesverband Mittelständische Wirtschaft (Metropolregion Köln) und dem Marketing-Experten Dirk Schumacher laden wir zur vorweihnachtlichen Reflexion ein. Anhand praxisnaher Impulse erleben die Teilnehmenden, wie sie Schritte auf dem Pfad des Business-Häuptlings gehen können. Teilnahme nur nach Voranmeldung (info@agateno.com).

Aller guten Dinge sind drei: Coachen wie der Medizinmann

Bereits zum dritten Mal führen wir am 19.-20. März 2016 unser Seminar für Trainer, Berater, Coaches durch. Wer sich fragt „Wie coacht ein Medizinmann?“, findet an diesem Wochenende einen reich gefüllten Methodenkorb. Unsere bisherigen Teilnehmerinnen und Teilnehmer fanden es richtig gut (Video-Interviews). Doppelt gut: Wer sich bis zum 31. Dezember anmeldet, spart netto EUR 100,

Rückblick

Der Elefant ist weg! Von Fusionen und Dickhäutern im Business-Kontext.

Wie schaut ein Ethnologe auf Veränderungsprozesse? Und was kann man davon für die Fusion von Unternehmen lernen? Das interessierte die kürzlich fusionierte Fiducia & GAD IT AG. Zum Kundenkreis des IT-Dienstleisters zählen die 1.100 Volks- und Raiffeisenbanken in Deutschland sowie der ADAC. In einem Interview im Kundenmagazin der Fiducia & GAD IT AG haben wir die (im englischen Sprachraum geläufige) Metapher des „Elefanten im Raum“ genutzt, um die hoch relevanten, aber häufig unter der Oberfläche ablaufenden – und nicht angesprochenen – Aspekte nach einer Fusion zu thematisieren. Ängste, Vorurteile und Erwartungshaltungen können dem guten Kontakt im Wege stehen. Menschen aus unterschiedlichen Unternehmenskulturen wollen – bei allem Wandel – Orientierung und Kontinuität, selbst wenn die Veränderung „vom Kopf her“ verstanden und gutgeheißen wird. Und eine Unternehmensfusion ist ein hochkomplexer Prozess des Kennenlernens. Hier kann das einfache Modell der Kulturzwiebel helfen, Anknüpfungspunkte für die Gestaltung des Wandels zu finden und die Werte des neuen Unternehmens sichtbar zu machen. Symbole und Metaphern, Helden (Vorbilder) und Rituale stärken die neuen oder transformierten Werte. Wichtig ist, dass diese Ausdrucksformen auch zum Unternehmen passen. Der Elefant ist weg!

Besinnungsloser Trubel braucht besonnene Menschen

In Kooperation mit dem HR-RoundTable (Motto: „Von Personalern für Personaler“) und dessen Initiator Thomas Buck hatten wir die Gelegenheit, unseren Vortrag zum Thema „Kompetenz im Chaos – Selbstführung im Wandel“ zu präsentieren. Innere Stärke und Balance sind unablässige Schlüsselkompetenzen in einer quirligen Business-Welt. Dass bereits kleine Momente der Achtsamkeit und Reflexion einen Unterschied machen können, haben wir bei unseren interaktiven Vorträgen auf der Zukunft Personal sowie bei den lokalen Veranstaltungen des Netzwerks in Stuttgart und Frankfurt gezeigt.

Taktvolle Agilität

Agilität im Unternehmen – im Spiegel eines interdisziplinären Workshops für Entscheider und Führungskräfte – orchestriert im Resonanzraum von „praxisnah“ bis „philosophisch“: „Agile Takte“ hieß das Thema der diesjährigen SophiaWerkstatt in München. In Kooperation mit den Münchener Philharmonikern und ihrem neuen Stardirigenten Valery Gergiev erkundeten wir gemeinsam mit gestandenen Führungskräften die vielfältige Partitur des Themas Agilität im Unternehmen: Von SCRUM bis Improvisationstheater; von Tango bis Megatrends des 21. Jahrhunderts; von den Räumen der Allianz-Arena bis zu jenen des inneren Erlebens – es war eine rhythmische Symphonie der Erfahrungen, Einsichten und Gedanken. Da fügte sich unser Workshop zur zyklischen Intelligenz harmonisch in das Klangbild ein. – Unser Dank gilt den Initiatoren der SophiaWerkstatt: den Inhabern und Beratern der humanistisch geprägten Unternehmensberatung Synnecta.