Es braucht Vertrauen zur Überwindung von Silodenken, gerade in Zeiten von agiler und digitaler Transformation. Doch wie gelingt es Führungskräften, diese Vertrauenskultur im Unternehmen zu stärken? Wie kann die Führungskraft auch dann Vorbild sein, wenn die Menschen in der Organisation sich eher distanziert und misstrauisch begegnen und der Team Spirit bislang fehlt? Der Aufbau eines Netzwerks kann dabei ein nützlicher Ansatz sein – wobei gilt: Geben ist im Netzwerk seliger denn Nehmen.

Als Führungskraft Vertrauen aufbauen

Das Zeitalter einer neuen Form der Führung ist eingeläutet. Starre Hierarchien werden zunehmend aufgebrochen – zugunsten von agilen Projekt- oder sogar Netzwerkstrukturen, die sich temporär auf eine Problemlösung ausrichten. Die Einbindung in ein vielfältiges und ressourcenreiches Netzwerk wird daher umso wichtiger. Das Netzwerk fungiert dabei als soziale Ressource.

Wie baue ich Vertrauen auf?

Vertrauen bedeutet Zutrauen und die Gelegenheit dazu geben. Der Wunsch nach »mehr Vertrauen« wird in vielen Unternehmen geäußert – sowohl von den Führungskräften wie auch den Mitarbeitenden. Und auch in vielen Leitbildern und Werte-Kodizes steht der Begriff Vertrauen. Doch wie geht das mit dem verflixten Vertrauen? – Es ist in erster Linie ein Gefühl. Vertrauen ist eine Bewertung, die ich einer Beziehung zuschreibe. Der Appell „Vertrau mir doch einfach mehr!“ ist vielfach vergebene Liebesmüh.

Führungskräfte sind in einer Zwickmühle: Einerseits wollen sie den Mitarbeitenden mehr Verantwortung übertragen; andererseits scheuen sie das Risiko, für das sie selbst letztlich einstehen müssen.

Vertrauen ist etwas, das auf der Erfahrung aufbaut.

Ein initiales »Zutrauen« braucht es, um überhaupt den ersten Schritt machen zu können. Darüber hinaus braucht es jedoch zusätzlich die Gelegenheit zur Bewährung. Es braucht also die Chance, eine gute Erfahrung machen zu können.

So banal dieser Punkt klingt, so häufig wird er in der Praxis vernachlässigt. Es werden gerade neuen oder jungen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu wenige Gelegenheiten geboten, sich bewähren zu können. Entscheidungen der Führungskraft hängen oft an deren »Bauchgefühl«, das ohne Rückkoppelung an die Erfahrungswelt jedoch oft nur vage vorhanden ist – und zu risikoscheuen Entscheidungen tendiert. Man muss jedoch die Erfahrung machen, dass der eigene Vertrauensvorschuss gerechtfertigt war.

So wächst Vertrauen in Beziehungen

Vertrauen wird vor allem durch die persönliche Bindung aufgebaut. Erzählen Sie also von sich selbst: Berichten Sie von Ihren eigenen Fehlern – und was Sie daraus gelernt haben. Erzählen Sie auch von Ihren Erfolgen, aber ohne sich selbst als Superhelden herauszustellen. Lassen Sie andere von den Schwierigkeiten und persönlichen Herausforderungen wissen, denen Sie begegnet sind – und wie Sie damit umgegangen sind.

Das Prinzip der »Reziprozität« besagt, dass menschliche Beziehungen durch Gegenseitigkeit gestärkt werden. Für eine vertrauensvolle Beziehung braucht es also die Gelegenheit, dass sich beide Parteien bewähren können: Vertrauen ist nie selbstverständlich, sondern braucht in beide Richtungen Zutrauen und Gelegenheiten.

Vertrauen ist leicht zerbrechlich: „Wer einmal lügt, dem glaubt man nicht – auch wenn er dann die Wahrheit spricht.“ So lehrt uns das Sprichwort. Daher gilt auch: Wer ein Klima des Vertrauens haben will, darf keine Hidden Agenda haben.

Pflege dein Netzwerk, um Vertrauen aufzubauen

Die Frage „Wen kenne ich?“ war in vielen Fällen schon immer wichtiger als die Frage „Was weiß oder kann ich selbst?“ Ein gut aufgestelltes Netzwerk hält ein großes Potenzial an Optionen bereit, auf die man im Bedarfsfall zurückgreifen kann: ob bei Problemen des beruflichen Alltags; bei der Karriereplanung; oder auch zur Abfederung von Rückschlägen, nach denen man sich neu ausrichten muss. Die Bedeutung von guten Kontakten wird sich in Zukunft noch verstärken – und die Kompetenz zur Beziehungspflege somit ebenfalls.

Das Netzwerk der Kontakte, die man persönlich getroffen hat und mit denen man gemeinsame Erfahrungen teilt, wird dabei – bis auf weiteres – im Zentrum stehen. Persönliche Bindung und Vertrauen lassen sich in erster Linie im persönlichen Kontakt („Face-to-Face“) aufbauen. Inzwischen sind jedoch auch die Online-Netzwerke zunehmend wichtiger geworden. Bei der Pflege der digitalen Netzwerke geht es jedoch um mehr als nur um die technische Verwaltung von hunderten von Kontakten auf LinkedIn, XING oder Facebook als besseres Adressbuch.

Sich einen Namen machen

Ein Netzwerk kann man als eigenständiges System verstehen. Und wie im System des Unternehmens gilt, dass Sie dort als Person mit äußerst unterschiedlichen Facetten wahrgenommen werden. Es liegt an Ihnen, sich entsprechend zu positionieren.

Betrachten Sie Ihr berufliches Netzwerk und stellen Sie sich die folgenden Fragen:

  • Wofür stehe ich in meinem Netzwerk? Als wer bin ich dort bekannt?
  • Für welche Fragen gelte ich als Expertin bzw. Experte?
  • Für welche Aspekte bin ich vielleicht ein Vorbild? Was sehen andere in mir?
  • Mit welchen Anliegen außerhalb der rein fachlichen Expertise kommen Menschen zu mir? Bei welchen Fragen werde ich um Hilfe gebeten?

In sozialen Netzwerken den Austausch anregen

Gerade in digitalen sozialen Netzwerken gilt: Ich bin so wichtig wie die Resonanz, die ich erzeugen kann. Diese zeigt sich in Form von Klickraten auf Interesse-Buttons („Gefällt mir“) oder Seitenaufrufen von Profilen. Nur wer wahrgenommen wird, wird für andere als wichtiger Knotenpunkt des Netzwerks angesehen.

Doch wann beziehen sich Leute auf mich bzw. meine Beiträge? Das inhaltliche Interesse seines Bezugsnetzwerks zu treffen, ist dabei sicherlich ein Aspekt. Daneben spielen jedoch noch weitere Faktoren eine Rolle, welche die Resonanz innerhalb des Netzwerks erhöhen. Dazu zählen:

  • Mit wem bin ich vernetzt? Wer kennt mich? – Hat man wichtige Knotenpunkte im Netzwerk, so steigt auch die eigene Reputation.
  • Werde ich als vertrauensvoll wahrgenommen? Hierbei spielen auch die guten Erfahrungen und Interaktionen der Vergangenheit eine wichtige Rolle.
  • Laden meine Beiträge im Netzwerk zur Interaktion ein? Fördern sie die Partizipation anderer Netzwerkpartner?
  • Sind meine Beiträge „technisch“ gut gemacht? Kurze Beiträge mit einer knackigen Überschrift regen mehr an als ellenlange Texte in formaler Sprache.
  • Sind meine Beiträge ästhetisch ansprechend? Bilder spielen dabei eine wichtige Rolle, aber auch die Gestaltung des Textes (Gliederung, Überschriften, Absätze).

Ein Netzwerk muss lebendig sein und die Kommunikation der einzelnen Knotenpunkte untereinander fördern. Ein Netzwerk von „Karteileichen“ ist nutzlos. In einem lebendigen Netzwerk fließen die Informationen schneller und sind besser untereinander verdrahtet. Und Sie selbst sollten sich als möglichst aktiven Knotenpunkt positionieren, über den viel Informationsaustausch stattfindet. Um den Austausch im eigenen Netzwerk zu unterstützen, sind drei Aspekte wichtig:

  • Selbst Quelle von Informationen sein: Geben Sie selbst Informationen in Ihr Netzwerk. Das kann proaktiv geschehen oder wenn Sie jemand konkret um Unterstützung anfragt.
  • Den Informationsfluss anregen: Regen Sie den Austausch innerhalb des Netzwerkes an – auch dann, wenn Sie selbst davon nicht unmittelbar profitieren. Stellen Sie z. B. Kontakte untereinander vor oder teilen Sie interessante Beiträge mit Personen, die davon profitieren könnten.
  • Resonanz schenken: Geben Sie selbst Feedback zu Beiträgen, die man mit Ihnen geteilt hat.

Zum Weiterlesen: Der obige Text enthält Auszüge aus unserem Selbstcoaching-Buch für Fach- und Führungskräfte (S. 247 ff.). Dort gehen wir auch auf die Bedeutung eines konsistenten Selbstbildes ein, das sich vor allem bei Entscheidungen beweisen muss (vgl. Abschnitt 5.3 »Der Held, der für seine Werte einsteht oder Zivilcourage zeigt«).

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